Ursachen, Therapie und Krankheitsverlauf

von Verbrennungen bei Reptilien werden beschrieben

und an zwei Fallbeispielen aus der Praxis demonstriert.                                   

Dr.med.vet. Renate Keil

Die hohen Temperaturbedürfnisse von Reptilien machen eine häufig sehr differenzierte Beheizung aller Terrarien notwendig, in denen Schlangen, Echsen oder Schildkröten gehalten werden. Auch die Beleuchtungseinrichtung befindet sich in vielen Fällen innerhalb des Terrariums und damit meist in Reichweite der Tiere. Zu starke Heizplatten oder - lampen, um welche sich Schlangen gerne wickeln, sich kreuzende und damit zu heiß werdende Heizkabel, sowie von Futtertieren angefressene Kurzschlüsse verursachende Stromkabel stellen eine große Gefahr für Terrarientiere dar und führen häufig zu großflächigen Verbrennungen bei Reptilien (Frye 1981; Jenkins 1996).

Besonders gefährlich sind neben Dunkelfeldstrahlern dabei Heizungen, die über eine Zeitschaltuhr gesteuert sind. Viele Reptilien nutzen die Restwärme der langsam abkühlenden Heizung, indem sie sich direkt darauf- oder darunterlegen mit direktem Kontakt zum Heizelement, was ihnen im eingeschalteten Zustand der Heizung meist zu warm wäre. Sie schlafen ein und merken häufig zu spät, dass sich die Heizung wieder eingeschaltet hat. Schwere Verbrennungen dritten Grades mit regelrechter Verkochung der Haut und nicht selten auch tiefer liegender Gewebe sind dann die Folge (Jenkins 1996).

Besonders fatal ist, dass die schlimmsten Verbrennungen vom Besitzer oft gar nicht erkannt werden, denn nur bei leichten Verbrennungen entsteht schnell eine sichtbare, typische Brandblase mit deutlicher Erythembildung.

Je größer und längerdauernd die Hitzeeinwirkung war, um so weniger fällt die frische Verletzung oft auf, da es nach außen hin sichtbar häufig nur zu einer leichten Dunkelverfärbung der Haut kommt, deren zunehmend härtere, lederartige Konsistenz oft erst nach Tagen oder sogar Wochen bemerkt wird. Die nässende, entzündete Haut in der Peripherie ist im Gegensatz zu den koagulierten und damit abgestorbenen Partien extrem schmerzempfindlich. Nicht selten kommt es aus Unkenntnis zu weiteren Verbrennungen, weil die Ursache fehlinterpretiert und nicht abgestellt wurde. Betroffene Tiere kühlen die Wunden dann gerne durch lange Dauerbäder, was eine bakterielle – sehr häufig durch den bei Reptilien stark verbreiteten Keim Pseudomonas aeruginosa – oder mykotische Infektion des geschädigten Gewebes natürlich begünstigt (Cooper 1997; Jenkins 1996). Als Erste-Hilfe-Maßnahme bei einer frischen Verbrennung ist kaltes Wasser allerdings gut geeignet, die Gewebeerhitzung schnell zu unterbrechen.

Die weitere Therapie richtet sich dann nach der Infektionsgefährdung. Das bedeutet, dass man bei täglicher Kontrolle und Sterilhaltung häufig auf eine systemische Antibiose mit ihren erheblichen Nebenwirkungen verzichten kann.

Gegen Pseudomonas ist nur das stark nephrotoxische Gentamycin wirksam, das besonders bei einer möglichen Nierenschädigung durch die Verbrennung sicher nicht ohne dringenden Grund einzusetzen ist – und als zweite Möglichkeit bleibt meist nur Enrofloxacin, wobei schnell Resistenzen auftreten und das ohnehin nicht bei Jungtieren gegeben werden darf. Der arbeitsintensivere Versuch, nur mit fünfprozentiger, wässriger Polyvidon-Jod-Lösung und Wundsalbe (auch zum Vermeiden von hohen Flüssigkeitsverlusten), ohne systemische Antibiose auszukommen, ist also vorzuziehen, wenn es möglich erscheint.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie massiv die Gewebeschädigungen bei Verbrennungen sein können, selbst wenn die Heizung gar nicht besonders heiß ist und das betroffene Tier ohne weiteres einen anderen Platz hätte aufsuchen können.

Ob die Tiere so fest schlafen, dass ihr Temperaturempfinden dabei ausgeschaltet ist oder ob sie in einen Schockzustand geraten, der ihr Fluchtverhalten blockiert, bedarf weiterer Beobachtung. Die Verbrennungen an den Füßen von Wasserschildkröten, die sich auf dem Wasserheizstab ausruhen und bei denen dann nach einer Weile die Fußsohlen nur noch aus Brandblasen bestehen, sind vielleicht noch verständlich. (Auch ein auf der Luftmatratze treibender Schwimmer bemerkt seinen Sonnenbrand nicht rechtzeitig!)

Weniger vorhersehbar ist für die meisten Leute, dass eine Schlange unter einer Heizplatte liegen bleibt, bis die gesamte Rückenhaut verschmort ist.

Rechtzeitige Aufklärung über diese Gefahren sollte als Präventivmaßnahme Bestandteil jeder Haltungsberatung sein, die ja immer auch auf die Einrichtung des Terrariums eingehen muss.

Aus einer Vielzahl von beobachteten Brandverletzungen bei Reptilien sollen im Folgenden zwei besonders eindrucksvolle Fälle vorgestellt werden, um die enorme Heilungstendenz bei diesen Tieren zu zeigen und zu einem Behandlungsversuch auch in zunächst fast aussichtslos erscheinenden Fällen zu ermutigen.

Fall 1

Ein dunkler Tigerpython von 1,80 m Länge war am Vortag beim Klettern an ein stromführendes Kabel geraten. Das völlig verstörte Tier biss wild um sich, sobald es eine Bewegung in seiner Nähe registrierte, sonst lag es apathisch lang ausgestreckt.



Sicherheitshalber wurde zunächst eine größere Menge Ringerlactat s. c. gespritzt (ca. 1% des Körpergewichtes, mehr war nicht möglich) sowie Prednisolon zur Schockbehandlung gegeben. Per Magensonde bekam das Tier weiterhin 100 ml Wasser mit Amynin gemischt, um die Nierentätigkeit zu fördern. An der seitlichen Brustwand waren zwei etwa handflächengroße, trockene, dunkler wirkende Hautveränderungen zu sehen, die von einer weichen, teigigen Schwellung umgeben waren, welche sich in den folgenden Tagen vergrößerte. Die Haut wurde durch eine blutig-seröse Flüssigkeit abgehoben, es entwickelten sich großflächige Brandblasen um die beiden eigentlichen Verbrennungszentren herum.

Das ganze Ausmaß der Gewebezerstörung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal andeutungsweise zu sehen und wurde leider nicht fotografiert, zumal das Hantieren mit dem überaus bissigen Python bei der täglichen Wundbehandlung für Patient und Untersucher auch so schon genug Stress darstellte.

Im Laufe der nächsten Wochen gewöhnte sich die Schlange daran, täglich mit Panthenolsalbe oder Braunol 2000, je nach Aussehen und Infektionsgefährdung des geschädigten Gewebes, behandelt zu werden. Sie biss nicht mehr, was den Umgang mit ihr erheblich erleichterte, denn von Anfang an war auf jede Zwangsfixation verzichtet worden, um das Tier nicht noch mehr zu ängstigen und sein Vertrauen zu gewinnen.

Wie gut das gelang, verdeutlicht die Tatsache, dass sämliche nun auch fotografisch dokumentierten Manipulationen ohne Narkose oder irgendeine Fixation erfolgten und höchstens gelegentlich ein paar Tropfen Lokalanästhetikum eingesetzt wurden. Einige Wochen nach der stationären Aufnahme begannen die verbrannten Hautpartien sich von der Unterlage zu lösen und wurden vorsichtig abgetragen. Die Schlange sah dabei zu und züngelte, zeigte aber keine Schmerzreaktionen. Auch bei den nächsten Sitzungen, wobei immer mehr zerstörtes Gewebe erkennbar wurde und entfernt werden musste, kroch sie nur gelegentlich etwas ungeduldig auf dem Operationstisch umher, was die Prozedur dann jeweils ein wenig zeitintensiver machte. Nach Abtragung der verkochten Interkostalmuskulatur zeigte sich wenige Tage später eindeutig, dass auch die freiliegenden Rippen entfernt werden mussten, da sie sich zu verfärben begannen.



Zum GLück konnten über der kranial liegenden Wunde einige Rippen stehen bleiben, welche die darunter liegende Lunge schützten, während an der anderen Stelle die Rippen komplett entfernt wurden. In dieser ganzen Zeit (ca. 8 Wochen) wurden die Wunden dick mit Panthenolsalbe und einer Kompresse abgedeckt, zwischendurch mit wässrigem Polyvidon-Jod desinfiziert und nur eine Woche lang zusätzlich stellenweise mit Gentamycinsalbe behandelt, als eine Grünverfärbung mit dem typischen Geruch eine beginnende Pseudomonasinfektion anzeigte, die schon lange erwartet und befürchtet wurde. Auf eine systemische Behandlung wurde dennoch verzichtet, um die Nieren zu schonen, diese letzte Therapiereserve wurde auch nicht notwendig.

Das Tier hatte inzwischen gelernt, ohne vorherige Umschlingung tote Mäuse von der Pinzette zu nehmen, Verdauung und Harnabsatz funktionierten nach anfänglich forcierter Diurese problemlos. Als sich nach gut einem Vierteljahr zeigte, dass in den inzwischen mit einigen Fäden provisorisch etwas zusammengezogenen Wunden kein weiteres Gewebe nekrotisch wurde oder infiziert war, wurden nun allerdings in Isoflurannarkose die Wunden verschlossen, wobei die fehlende Hautabdeckung durch zuvor mobilisierte Haut aus der Wundumgebung teilweise als Stiellappenplastik rekonstruiert wurde und mit einer Ausnahme auch gut anheilte. Ein halbes Jahr nach dem Unfall wurde der Python von seinem Besitzer wieder abgeholt, gut fressend, zahm und mit erstaunlich unauffälligen Narben.

 

Fall 2

Mit dem einzigen Vorbericht „sie fressen seit einiger Zeit nicht mehr richtig“ wurden zwei grüne Leguane vorgestellt mit 60 und 80 g Kgw. Beide Tiere waren hochgradig abgemagert, exsikkiert, von roten und schwarzen Blutmilben befallen und stark mit drei verschiedenen Darmnematoden infiziert.

Sie waren bedeckt mit Brandnarben, bei beiden Tieren waren sämtliche Zehen bereits eingetrocknet. Für den kleineren Leguan kam jeder Behandlungsversuch zu spät, er konnte nicht einmal mehr den Kopf heben. Der andere zeigte noch Lebenswillen und nahm durchaus Futter auf, wenn man ihn per Hand fütterte.
Der Eigentümer konnte sich angeblich nicht erklären, wie seine Tiere zu den Verbrennungen gekommen waren, dabei zeigte besonders das g
rößere Tier ein deutliches „Grillmuster“ auf dem Rücken.  

   

Die Bekämpfung der Milben wurde wegen des schlechten Allgemeinzustandes zunächst nicht mit Dichlorvos-Strips, sondern nur mit Dauerbädern vorgenommen, in denen der größte Teil der Milben bereits eliminiert wurde. Die dabei auftretende Aufquellung der Haut zeigte aber nach wenigen Tagen, dass die Ausdehnung der Verbrennung viel größer als erwartet war. Die letzte Brandverletzung musste unmittelbar vor der Aufnahme erfolgt sein, denn in den nächsten Tagen und Wochen wurde klar, dass ca. 60–70 Prozent der Körperoberfläche verbrannt war und das verbrannte Gewebe abgestoßen wurde. Wie bereits im vorigen Fall wurde auch hier nur lokal behandelt, und auch hier konnte eine erst sehr spät auftretende Pseudomonasinfektion im Entstehen erkannt und lokal behandelt werden.

Da die riesigen Wundflächen über den ganzen Körper verteilt waren und sich nach einigen Wochen trotz ständiger Salbenkompressen harte, panzerartige Schorfflächen bildeten, die jede Bewegung für das Tier sehr schmerzhaft machten, wurden die Schorfplatten ständig vom Rand her zurückgeschnitten und verkleinert und sobald wie möglich abgelöst, d. h. sobald die darunter liegende Wunde nicht mehr blutete und eine zarte Epithelbildung erkennbar war. Während dieser Wochen wurde die Echse nicht nur mit Salbenkompressen, sondern auch mit Schaumstoffpolstern an den wenigen heil gebliebenen Hautstellen versehen, wodurch eine Berührung oder ein Bodenkontakt der schmerzenden Brandwunden vermieden wurde. Inzwischen waren die verbrannten und mumifizierten Zehen aller vier Füße zusammen mit der Haut abgelöst worden, auch der Schwanz war in den letzten drei Vierteln vertrocknet. Da ein Stück der Wirbelsäule aus dem Stumpf ragte und eine Infektion drohte, wurde ein Zentimeter des Stumpfes so amputiert, dass sich ein Regenerat bilden konnte, was bei einem Tier, das wegen fehlender Zehen auf seine Balance mehr angewiesen ist, wichtig erschien.

Während der stationären Behandlung des Tieres tauchte häufiger die Frage auf, ob eine Fortsetzung der Therapie wirklich vertretbar sei, z. B. wenn beim Ablösen der Schorfplatten, die wie ein langer Handschuh den ganzen Arm umgaben, plötzlich Synovia aus dem Ellbogengelenk austrat und auch noch eine Versteifung des Armes befürchtet werden musste. Aber der zähe Lebenswillen des Tieres, das während der ganzen Behandlung jedes angebotene Futter aus der Hand und später auch vom Teller nahm und die oft schmerzhaften Prozeduren ohne jede Abwehr über sich ergehen ließ, siegte über alle Euthanasieüberlegungen.

Heute, mehr als drei Jahre später, ist „Gustav“ groß geworden und lebt bei einer Kollegin, die ihn gegen keinen „kompletten“ Leguan mit Rückenkamm, Kehllappen, Zehen und vollständigen Schwanz je eintauschen würde. Er ist vollständig gesund, und alle Gelenke sind beweglich. Nach etwa einem Jahr begann seine zuvor weißliche Narbenhaut sich grün zu färben und teilweise wieder eine an kleine Schuppen erinnernde Struktur zu bekommen. Als Ausdruck seiner enormen Regenerationsfähigkeit bildet er sogar ein Gabelschwanzregenerat, was den Eindruck verstärkt, dass er einer ganz besonderen Rasse angehört ... Sein neugieriges und zutrauliches Wesen hat er behalten, und jedesmal, wenn ich ihn wiedersehe, freue ich mich darüber, wie sich jede Mühe für dieses Tier gelohnt hat!

(Die Frage zur Berechnung dieser Fälle ist übrigens schnell beantwortet: gar nicht, der Arbeitsaufwand war ohnehin unbezahlbar.)

 

Quelle: Praktischer Tierarzt 82: 6, 432-434 (2001) © Schlütersche GmbH & Co. KG, Verlag und Druckerei ISSN 0032-681 X - R. Keil

   
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  nicht vergessen: Neuzugänge kommen immer in die Quarantäne 

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